Millstätter See

Die adelige Familie Tacoli lädt zur Saisoneröffnung an den Millstätter See in ihre See-Villa. Ich leite die Einladung an Renate weiter und die hat Lust auf Tradition seit 1884. Carina findet es nicht so prickelnd und so sind wir zu zweit plus Hund unterwegs in Vorfreude auf ein Wochenende der anderen Art und des sicherlich guten Essens.

Wir sind im einstigen Privathaus der Familie untergebracht. Das Zimmer ist schön groß und direkt am See. Wir verpassen bei der Anreise den Prosecco-Empfang, aber für einen Spaziergang bei Sonnenuntergang sind wir zeitgerecht da. Es ist ruhig in der Vorsaison. Das hat was.

Die See-Villa hat nun eine neue Führung. Wenn ich das richtig verstanden habe, hat einer der drei Söhne vom kinderlosen Onkel geerbt und seine beiden Brüder kellnern. Der Vater und die Frau Mama sitzen wie schon vor Jahren jeden Tag in tadelloser Tracht am selben Tisch. Ein bisserl hat man den Eindruck, dass die Familie sich selbst mehr als genug wäre in dieser wundervollen Umgebung. Die Umstände machen es halt notwendig, dass man auch einfache Leute empfängt und bewirtet. Ist ja großzügig, aber vielleicht auch nervig, wenn man die Besitzungen fremden Besuchern von zweifelhaftem Stande zugänglich machen muss. Ach, die Zeiten verlangen es! Der Kunde ist König. Sagen alle, sagt irgendwer, sagt auch die Familie. Aber glauben tut dies hier keiner so recht. Meinetwegen glauben die Gastgeber das auch, aber danach handelt hier keiner. Ja, vielleicht die beiden angestellten Kellner aus dem Ausland. Gehört Ungarn wirklich schon zum Ausland? Wie die Zeit vergeht!

So liegt der Schleier der Dekadenz über dieser tollen Location. Das Essen ist weiterhin ausgezeichnet. Speziell Wild und Fisch sind zu empfehlen, wenngleich der Versuch an Sashimi und Sushi beim Gala-Dinner doch ziemlich in den Hosen geht. Das restliche Gala-Buffet ist fein, wenngleich die Zahl der Sitzgelegenheiten deutlich unter dem Andrang steht. So stehen wir als etwas zu spät kommende Gäste mit dem Fasan in der einen und dem Hund in der anderen Hand ein bisserl wie bestellt aber nicht abgeholt herum.

Als dann am Samstagabend fürs Wochenende das Brot ausgeht, esse ich halt vermutlich ganz im Sinne der Gastgeber eben Kuchen. Geht doch! Lage und Essen sind toll, die Zimmer ordentlich groß und trotzdem werden wir nicht ein weiteres Mal zu Besuch kommen.

Am Samstag versäumen wir die in unserem Package enthaltene Bootsfahrt wie schon die Stiftsführung am Vortag. Der Grund ist eine geplante Spazierrunde oberhalb von Millstatt. Wir schrauben uns mit dem Auto ein bisserl in die Höhe. Aber da schau‘ her, da fährt einer noch weiter. Wir folgen. Ein Mautschranken wird passiert, der Asphalt endet und es geht stetig bergauf. Der Schnee ist schon in Sichtweite. Auf knapp über 1.600m Seehöhe dann der Parkplatz. Okay, dann wandern wir zur Alexanderhütte. Das reicht nicht, wir spazieren weiter zur Millstätter Hütte. Ich bin in sommerlichen Laufschuhen unterwegs. Auch sonst haben wir keinerlei Bergausrüstung dabei. Die Füße sind im Schnee schnell nass. Was soll’s!

Bei der Millstätter Hütte empfängt uns der Koch, viele Tattoos und wenig Ahnung von der Umgebung. Er verspricht Kaspressknödel und den besten Kaiserschmarren. Gäste sind keine da. Auf unsere Fragen, wie der Gipfel da heißt und ob ich mit meinen Turnschuhen da rauf komme, hören wir, dass er selbst erst seit drei Tagen hier ist, keine Ahnung von den Bergen hat und dass es heute mit den Schuhen schon gehen sollte. Ah ha! Da frage ich mich kurz, was sich denn seit gestern so viel geändert hat. Aber was soll’s, die Regel heißt: „Frag‘ besser Leute, die vom Berg kommen, als den Hüttenwirt.“.

So besteigen wir den Kamplnock, sehen das nächste Gipfelkreuz und erledigen auch noch diesen Nock mit dem Millstätter Kreuz. Das Wetter zieht rum, mal tröpfelt es, in der Ferne schüttet es. Wir sind wieder gut gelaunt und schießen Fotos. Beim Rückweg kehren wir in der Millstätter Hütte ein und haben fürwahr herrlich frische Kaspressknödel und kaiserlichen Schmarren. Da kann der Adel im Tale noch etwas lernen!

Kurz vor dem Auto beginnt es zu regnen. Im Auto erleben wir dann wolkenbruchartige Schauer. Uh, das wäre kalt und unangenehm geworden. Aber uns lacht das Glück. So soll’s sein!

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass nicht nur Mio im Millstätter See gebadet hat, sondern auch wir beide. Einer von uns drei musste doch recht überredet werden. Die beiden Zweibeiner waren da mutiger. Nicht weit entfernt haben sich Brautleute auf der Wiese vor der See-Villa das Ja-Wort gegeben. Da hatte ich schon Sorge, dass ich in meiner Badehose vielleicht das eine oder andere Foto verderbe. Gut, Renate war mangels passender Garderobe für das Bad im See deutlich leichter bekleidet als ich. Dafür hat ihr das doch kalte Wasser ein mehr als erfrischendes Jauchzen entlockt. Könnte sein, dass da jetzt ein Paar ein Hochzeitsvideo mit gesteigertem Erinnerungsfaktor hat.

Wieder herrliche Tage gehabt!