Wanderung: Völlerin mit Steinbockattacke

Ein weiterer feiner Tag ist angekündigt, ehe sich das Wetter umstellen soll. Mit Renate und Gernot will ich sehen, wie sich Mio auf einem „alpinen“ Steig tut. Also, rauf auf die Hohe Wand.

Warm ist es, wir steigen zügig vom Sonnenuhrparkplatz auf. Die ÖTK-Kletterer sind auch unterwegs. Ich möchte ausprobieren, ob es möglich ist, Sabine mit Mio die Völlerin gehen zu lassen, während ich parallel den ÖTK-Steig kraxle. Schauen wir einmal!

Mio geht vorne weg. Nach der Abzweigung zu den Kletterrouten und Klettersteigen, also schon im Steig der Völlerin weckt etwas im Wald Mios Interesse. Schnell bin ich bei ihm, und siehe da, wir stehen einem Steinbock gegenüber. Also, der Steinbock schaut herab und wir blicken auf. Das ist hier wahrlich nicht unerwartet. Fast bei jedem Abstieg hat man hier, zumindest unter der Woche, so eine Sichtung. – der Steinböcke Revier.

Jö, da stehen diesmal auch noch zwei Kitze dahinter. Die Mama beobachtet uns genau. Da nehme ich Mio mal nicht an die Leine. Während ich noch überlege, wie ich einerseits Mio ohne Leine davon abhalte, zu den Steinböcken zu laufen und anderseits schon ans Foto denke, bricht ohne Ankündigung ein Sturm los. Der Steinbock schießt auf uns herunter. Renate und Gernot, die ein Stück hinter mir stehen, beobachten, dass Mio zur Seite bzw. in ihre Richtung gesprungen ist. Der Steinbock hat vor mir leicht abgewendet, ist um mich herum und gleich wieder die Felsen hinauf. Ich habe nur das Bild im Kopf, wie der Steinbock in geduckter Haltung mit dem Schädel tief am Boden in weniger als einem Meter Entfernung neben mir gewaltig Staub beim Bremsen aufwirbelt.

Na servas, was war denn das? Da haben wir aber Glück gehabt. Der Ringrichter hatte noch gar nicht den Kampf freigegeben. Auch kann ich mich nicht an eine letzte Warnung des Steinbocks erinnern. Hund gesehen, Kopf runter, Angriff – keine Verhandlungen, kein Ultimatum.! Das nenne ich Entschlossenheit! Hätte sich Mio bei mir versteckt, dann säße ich jetzt wahrscheinlich im Gipszimmer. Oder der Bock hätte noch die paar Meter am Steig nach hinten durchgezogen und wir lägen zu dritt dort am Hang jammernd verteilt.

Das Internet weiß nur von wenigen weiteren Fällen, bei denen sich ein Steinbock mit einem Hund angelegt hat. Und so etwas passiert am ersten Steig – armer Mio!

Wir steigen innerlich bewegt weiter, heiß ist es. Der Hund hechelt, wir schwitzen. Kurze Einkehr für einen Kaffee, kleine Rundwanderung am Plateau und Mittagessen, ehe wir die Völlerin wieder zum Auto absteigen. Mio streikt im Abstieg ein paar Mal. Woran liegt’s? Zu steil, zu rutschig, Erinnerung an die Attacke, unser Zögern, Müdigkeit oder einfach zu heiß? Da er nicht (wider-)spricht, lässt er alle Vermutungen zu.

Gestartet mit der Erwartung und Vorfreude auf eine entspannte Vormittagswanderung auf die Hohe Wand ist es also doch spontan ganz anders gekommen. Alle sind wohlauf und so können wir unter Kopfschütteln scherzen. Gernot ist sich sicher, dass Mio die Geschichte anders erzählen würde. Mio war es, der uns gegen den Angriff verteidigt hat, indem er mit einem „Olé!“ pariert, den Bock an den Hörner gepackt und mit Schwung talwärts befördert hat. Mio widerspricht auch da nicht und so lassen wir auch diese Variante gelten. Am Abend liegt er fertig im Wintergarten, die vier Haxen zucken. Jetzt arbeitet er vermutlich seinen ereignisreichen Tag auf.