Bergsteigen: Karreralmsteig

Schon in der Wandersaison ist hier an der Südseite der Rax kaum was los. Aber um diese Jahreszeit ist es noch einsamer. Bis zur Reißthalerhütte sind noch Spuren zu erkennen, aber dann war wohl in letzter Zeit hier kein Mensch unterwegs. Als Steigerung dann der Karreralmsteig. Ich bin recht sicher, dass ich der erste im Jahr 2023 bin. Das ist aber auch wurscht.

Ich steige nach einer Pause bei der Karreralm das erste Geröllfeld hinauf. Jö, ist das fein! So ein Geröllfeld, so gut wie nie begangen und dann nach dem Schnee.. Hmm, das ist fein, zumindest, wenn man sich gerne ein bisserl selbst quält. Das ist so fein, dass ich zu weit aufsteige. So quere ich wieder einmal durch die Latschen. Der Schnee trägt dankenswerterweise. Und da sieht auch der Mann mit der Rotsehschwäche und der deswegen vielleicht so roten Kopfbedeckung schon eine rote Markierung am Fels. Es wird gekraxelt. Weil hier nur ganz wenig los ist und ich mir bei einer der vorigen Begehungen schon mal eine kleine Felsplatte in der Hand hatte, rüttle ich vor jedem Anziehen. Ich kann das hier nur empfehlen.

Durchs Felsenfenster und dann zur IIIer-Stelle. Die ist wirklich nicht lange. Ich stehe in den steigenfesten Bergschuhen da und die Saison ist ganz frisch. Also, ein steigenfester Bergschuh ist irgendwie das Gegenteil eines Kletterschuhs, der Antikletterschuh sozusagen. So setze ich an zum ersten Schritt, zögere, und setze wieder zurück. Zögerlicher Einstieg! Das geht ein paar Mal so, dann stehe ich in dieser drei bis vier Meter hohen Felsplatte. Gut fühlt es sich heute nicht an. Aber die Sohlenspitze hält, der nächste Griff ist einem IIIer auch nie weit und so schaffe ich es nach oben. Geht doch! Yes!

Für die erste Märzhälfte ist ganz, ganz wenig Schnee da. So mache ich mir Sorgen um die Wasserversorgung der Wiener im Sommer. Aber ich sollte mir eher Sorgen um meine Kondition machen. Steigeisen brauche ich diesmal nicht, das ist fein. Der Schnee ist einigermaßen weich und das sollte er auch im Schatten sein. Hier sind übrigens die schweren Schuhe den Kletterschuhen haushoch überlegen.

Also, rein mit den Schuhspitzen in den Frühjahrsschnee und schön den Pickel versenken. So geht es die enge Rinne rauf. Nun weitet sich das Schneefeld. Das ist bei dem Schneemangel vielleicht noch ein Grad steiler als die letzten Male. Zuerst versuche ich nach links auszuweichen, wo das Gras rausschaut. Aber dort wirke ich wie ein verlorener Steilhanggärtner, der mit seinem Pickel den Boden auflockern will. Selbst für ambitionierte Bergbauern ist es hier ein paar Grad zu steil. Da taugen weder Kletter- noch Bergschuhe. Also, zurück ins Schneefeld. Wie schnell man einen anständigen Puls erreichen kann! Der Ort taugt nicht für eine entspannende Pause. So beiße ich die Zähne zusammen und quäle mich ans obere Ende.

Ab hier geht es wieder auf Geröll nach oben, das grundsätzlich einen aufrechten Gang zulässt. Wäre ich nur nicht schon so fertig. Aber langsam geht alles, sieht mich ja keiner. Einmal stellt sich noch an unerwarteter Stelle jede Menge Triebschnee entgegen. Das ist bei aperen Verhältnissen eine leichte Kraxelei. Mit diesem tückischen Triebschnee als Auflage grabe ich da lange herum. Was bin ich über den Pickel froh!

Nochmals taumeln und schnaufen, und das Heldendenkmal ist erreicht. Der Schnee ist hier heroben weggeblasen. Eine ungewöhnlich große Gamsherde grast hier. Der Chef starrt mich an, ich weiche ihm aus. Er muss ja brillieren, nicht ich.

Das Karl-Ludwig-Haus erobere ich noch auf Ingress, ehe ich über den Karlgraben absteige. Oben taugen die Grödel, aber im Graben sind sie eine Gefahr. Sie stollen dermaßen an, dass ich sie nach ein paar Metern abnehme.

Das Waxriegelhaus ist menschenleer. Der schlurfende Kellner aus Nepal freut sich über mein Namaste. Nach zwei Gängen betritt zu meinem Kuchen und Kaffee ein Tourengeher die Hütte, sieht die leeren Tische und … setzt sich zu mir. Interessantes Sozialverhalten! Mir soll’s recht sein. Er glänzt, dass er schon seit 55 Jahren auf der Rax herumklettert. Okay, da fehlt mir noch ein Jahrzehnt. Kurz, überkommt mich eine Lebenskrise, da das Ergebnis meines Schaffens nun ein Platz am Tisch der peinlichen Legenden ist. Was soll’s! So erfahre ich, dass die Schneelage vor 30 Jahren oft eine Abfahrt des Langermanngrabens bis zur Forststraße zuließ. Irgendwann wurde ein Drahtseil angebracht, das die leichte Kletterei in den immer schneeärmeren Wintern sichern soll. Ob das Seil noch da ist? Keine Ahnung. Fix hingegen ist, dass Winter mit einer Abfahrt über den Abbruch aufgrund der unübersehbaren Klimaerwärmung nur noch sehr selten werden. Wer den Jungen dann sagt, dass man da runterfahren kann? Ich werde es nicht sein und steige zum Preiner Gscheid ab. Auf den letzten Metern setzt Regen ein. Ein besonderer Tag war es trotzdem hier.

Die Tour auf Garmin