Bergsteigen: Haidsteig

Am 8. November war ich das letzte Mal hier. Das ist ja eine Ewigkeit. Über ein Monat ist mein letzter Lauf her. Damit hat sich meine Hüfte beruhigt. Also, sie nervt noch immer, aber man kann ja nicht sein Leben lang warten, bis sich etwas von selbst bessert. Kaputt kann ich auch nichts machen, also werde ich mich durchlächeln. Erwähnenswert ist auch, dass ich an einem Samstag unterwegs bin. Der Wetterbericht ist halt extra fein. Dies im Gegensatz zur nächsten Woche. Also, raus aus dem Haus!

Am Parkplatz um 9 Uhr stehen, wie von Gernot präzise prophezeit, keine fünf Autos – gutes Zeichen. Ein älterer Herr startet mit Schneeschuhen und Helm am Rucksack. Mein Rucksack ist mit Grödeln, Steigeisen, Stöcken, etc. gut gefüllt. Schauen ma a mal!

Am Einstieg hole ich meinen Vorgänger ein. Elegant steige ich vorbei und meine, dass dies nun mein Steig ist. Es liegt ein bisserl Schnee, der verdammt gut hält und ein bisserl Eis, das verdammt rutschig ist. Aber 98% sind trocken und so gibt es eigentlich nur feine Bedingungen. Unterhalb der Einmündung des Alten Haidsteigs sehe ich noch einen Kraxler ein Stück ober mir. Schön bunt und gut abgestützt auf allen Vieren. Ui, ist dort, wo das Seil fehlt, Bedarf für Grödel? Ich schließe auf und überhole. Den Mann treffe ich beim Abstieg nochmals. Da erklärt er mir, dass er Touren immer von einer Website runterlädt und dann nachgeht. Er ist derart schon einige Klettersteige gegangen. Welche? Na, daran kann er sich nicht erinnern. Aber er ist top ausgerüstet. Wochenende? Egal, passt schon.

Bei der Madonna raste ich ein bisserl. Long time no see, liebe Ulli!

Am Vortag habe ich noch einen meiner Berichte gelesen und mich erinnert, dass mich die Steigeisen bei meiner letzten Winterbegehung eher genervt haben. So bin ich nun oberhalb der Madonna auch auf allen Vieren. Der Schnee hält, der Fels soundso, aber das Eis nicht. Und das verrät sich manchmal nur als glasklarer Überzug. Vorsicht, keine Eile, hab eh keine Kondi.

Am Plateau meldet sich der Wind. 2h15 habe ich vom Parkplatz herauf gebraucht. Das ist fast eine Stunde mehr als vor zwei oder drei Jahren. Fast doppelt so lange – upps! Ein Teil der Verzögerung lässt sich den Bedingungen zuschreiben. Fix ist, dass ich wieder fit werden will. So geht das jedenfalls nicht weiter.

Die Neue Seehütte ist zu meiner Verwunderung geöffnet. Irgendwie sieht das jetzt wieder professioneller aus. Aber mir ist noch der deutsche und eher bergahnungslose Pächter in Erinnerung, der bei unserem ersten Besuch, Kaffee und Würschtel mit Solarenergie zubereitet hat. Das war ja eher nix. So lasse ich die Hütte links liegen und wähle den Göbl-Kühn-Steig. Der Schnee trägt überraschenderweise gut und so ist das durchaus zu verantworten.

Im Langermanngraben kommen mir Tourenfahrer entgegen – von unten mit den Skiern am Rücken. Sie erklären, dass sie absichtlich bis zum Abbruch abgefahren sin. Aber die Übellaune lässt vermuten, dass das nicht ganz so geplant war. Acht Schwünge, zwanzig Minuten schwitzen. Da wird ein Sessellift plötzlich attraktiv.

Das Waxriegelhaus ist rappelvoll. Martin, der Wirt, setzt mir drei Studenten aus Mannheim an den Tisch. Kein Rucksack, Turnschuhe ohne jedes Profil. Na ja, sie haben eigentlich gar nicht damit gerechnet, dass Schnee liegt. Sie wollten über den Altenbergersteig auf die Heukuppe, aber der Schranken war zu. Und so sind sie aufs Preiner Gscheid. Wie denn die Seehütte so ist? Kulinarisch nicht lohnenswert und mit dem Schuhwerk kaum erreichbar. Ah ja. Ich empfehle den Entenhügel, 100 Meter hinter der Hütte. Der Anstieg ist steil, aber ein Ausrutschen ist im Wald unwahrscheinlich und wenn, nicht so wild. Die Füße sind in den Schuhen sicherlich auch schnell nass. Wenn das alles erträglich ist, können sie ja weiter auf den Waxriegelgrat gehen. Der bringt einen Ausblick. Ob sie derart zum Karl-Ludwig-Haus gelangen? Mit den Schuhen wahrscheinlich nicht und nun ja, das hat geschlossen.

Wenn jemand sagt, dass ich ein Bergfex bin, winke ich stets ab. Jemand, der in Salzburg oder Tirol lebt, und Zeit seines Lebens jede Woche Touren geht, der hat viel Erfahrung. Nicht ich. Aber an Tagen wie heute, oder eben Samstagen, bin ich fast überzeugt, dass ich doch viel Erfahrung habe. Anderseits beneide ich die jungen Leute. Ich erkläre ihnen, dass mit den Schuhen das Absturzrisiko wohl bei zehn Prozent liegt und dass es auf einem steilen Harschdeckel oder Altschnee sehr, sehr wahrscheinlich kein Halten ohne Pickel gibt. Aber ich sage ihnen auch, dass das für sie bedeutet, dass sie es mit 90%iger Wahrscheinlichkeit schaffen würden. Und diese Sicht auf die Dinge lassen einem mit 20 Jahren Risiken eingehen, die Erinnerungen fürs Leben bringen. So wünsche ich ihnen das Allerbeste, viel Spaß in den Bergen und ermahne sie, sich von den Alten nicht einschüchtern zu lassen.

Am Weg nach Griesleiten überlege ich mir dann, welchen Preis mir die Hüfte in Rechnung stellen wird. Aber der ist auch am Sonntag noch erstaunlich tief. Ich muss wieder öfters in die Berge. Das ist meine Erkenntnis der Tour.

Die Tour auf Garmin