Bergsteigen: Preiner Gscheid – Karreralmsteig

Der Winter 2021/22 hat bislang wenig Schnee gebracht. Also, definitiv zu wenig, um in der näheren Umgebung eine Skitour zu gehen. Für den Mittwoch ist nochmals Kaiserwetter angesagt, ab Donnerstag soll vielleicht Schnee kommen. Der Karreralmsteig im „Winter“ könnte ein Erlebnis sein. Diesmal bin ich ganz zuversichtlich, alle Herausforderungen locker zu meistern.

Am Preiner Gscheid parkt ein Auto, und schon nach hundert Metern ist der Waldweg unverspurt. Oh, da ist schon länger niemand gegangen. Vor der Reißtalerhütte treffe ich dann doch auf eine Spur und folge ihr. Dabei mache ich meine Überlegungen, wie fit mein Vorgänger sein muss. Und so folge ich der Spur, während die Navigation der Uhr links sagt. Das besorgt mich nicht, führen doch mehrere Wege zur Karreralm.

Dann steht auch schon mein Vorgänger vor mir. Es ist ein älterer und wahrlich fitter Wanderer, der aber nicht ganz hinauf will. So habe ich nun für kurze Zeit zwei Spuren vor mir, ehe diese enden und ich spuren darf. Die Grödel sind bei dem Schnee unbrauchbar. Ganz schnell stollen Klumpen an den Sohlen an. Mühsam ist das! Die Karte meint nun, dass ich am Weg zum (Kleinen) Fuchsloch bin. Oh, da war ich schon mal! Das wollte ich aber gar nicht. Oder sollte ich gleich den Fuchslochsteig gehen? Hier am entlegenen Teil der Rax halte ich lieber an meinem Plan fest. Auch die Internetverbindung fehlt, um mich schlau zu machen.

Weil ich diesmal nicht wieder absteigen will, folge ich Gamspfaden. Die namensgebenden Tiere schauen mir verwundert zu. Wie ungeschickt der über das Geröll stolpert, in den Schneefeldern geht es einigermaßen. Aber vom Gehen auf zwei Beinen kann ich die Gämsen nicht überzeugen. Mein Gefühl und meine Karte sagen, dass es nicht mehr weit zum Einstieg sein kann. So überwinde ich einige Latschenfelder. Das geht am besten mit einem leichten Höhenverlust, weil die Latschen eben bergab gerichtet sind. Zurück kann ich da aber dann nicht. Hmm?

Plötzlich stehe ich punktgenau am Einstieg des Karreralmsteigs. Das muss einem mal gelingen! Meist ist es ein etwas nerviges Suchen, aber diesmal en point!

Die Sonne lacht, der Fels ist trocken. Los geht’s! Der Steig ist wirklich selten begangen. Einmal stellen sich gar Latschen in die steile Rinne, die hinaufgeklettert wird. Also, so eine exakte Routenführung gibt es eigentlich gar nicht. Alle zwanzig, dreißig Meter mal ein verblasster, roter Strich und das war’s dann auch.

Das markante Felsfenster sollte man schon finden. Bis dahin ist es leichtes, feines Kraxeln bis maximal Schwierigkeit II. Dann kommt die IIIer-Platte. Kurzes Überlegen und Zögern, aber dann steige ich los. Es sind gerademal drei Schritte, ehe man sich an der Oberkante der Platte schon wieder gut anhalten kann. Man kann die Platte leicht links umgehen. Aber dieses Mal lasse ich mir den Triumph nicht nehmen. Geschafft, hurra!

Durch den Umweg und den Schnee im Zustieg habe ich ein bisserl Müdigkeit aufgerissen. Ganz fit bin ich auch nicht. So gönne ich mir eine Pause unter den hier senkrechten Raxenmäuern. Frühlingshaftes Wetter – nicht schlecht. Während ich mir Tee und Schnitten zuführe, inspiziere ich die Querung und mutmaße über die Bedingungen in der Rinne. Die IVer-Stelle lasse ich, wie in der Literatur empfohlen, aus. Die Umgehung führt durch eine steile Geröllrinne und infolge über steile Grasschrofen. Da liegt überall Schnee, der hier in der Sonne schön weich ist. Ich habe aber keine Lust, im Schatten im Steilen auf gefrorenen Altschnee zu stoßen. So lege ich schon hier, an diesem komfortablen Rastplatz, die Steigeisen an. Wenn ich sie schon mitschleppe,…

Damit sollte ich auch rechtbehalten, denn wie vermutet, ist es in der schattigen Rinne hart. Das Schneefeld in der Querung ist von der Sonne aufgeweicht, sodass die schweren Bergschuhe anfangs noch ausreichend Halt finden, aber hier?

Zuerst dringen noch die Schuhspitzen tief genug in den Schnee ein, aber irgendwann bin ich über die Steigeisen froh. Das ist hier nur ein steiles Schneefeld und kein 70° steiles Eis in einer der bekannten Nordwände. Und trotzdem fangen mir die Wadeln an zu brennen. Ich kann rasten, indem ich die Schuhe quer in den Schnee stelle und mich auf den Pickel stütze. So entwickle ich eine Vorstellung, wie das sein muss, wenn du in so einer Nordwand stehst und dich über Stunden nicht entspannen kannst.

Mah, ist das anstrengend da rauf. Das ist es auch ohne Schnee, aber heute! Na, ich bin zumindest froh, dass es nach dem steilen Abschnitt fast schneefrei ist. Wenn dieser Teil zu spuren wäre! Ich zähle schon so die Schritte, was ein Zeichen von extremer Müdigkeit bei mir ist. Fünfzig Schritte mindestens – davor gibt es keine Pause!

Irgendwann taumle ich zum Heldendenkmal und treffe auf Wanderer. Ich ziehe mich wärmer an und steige zum Karl-Ludwig-Haus ab. Der vorherige Pächter, ein Grantscherben, der jedem, der nicht seiner Meinung war, gewünscht hat, dass in der Blitz beim Scheißen treffen soll, ist zum Glück weg. Ein Niederländer und eine Deutsche betreiben die Hütte nun unaufgeregt professionell. Vor allem sind sie auch im Winter da. Ich hätte ihnen mehr Schnee und damit Tourengeher gewünscht. So will ich eine anständige Zeche machen. Aber da bezweifelt die Wirtin, dass ich Kaspressknödelsuppe und Gulasch schaffe. Dann einen Kaiserschmarren? Auch zu viel, ihrer Einschätzung nach. Schauen wir einmal! Auch recht, ist mir schon lange nicht passiert.

Nach Kaspressknödelsuppe, Kaiserschmarren, Kaffee und jeder Menge Ingwersaft steige ich ab. Der Karlgraben ist gut eingeweht und so kann ich gelenksschonend in den Siebenbrunnenkessel absteigen. Auf der Piste zum Auto ist es dann aper. Der Wind hat in der letzten Stunde stetig zu genommen, vielleicht bringt er den notwendigen und angekündigten Schnee.

Ein toller Tag war’s. Heute am Tag der Niederschrift merke ich, wie anstrengend das war. Das rechte Bein mag gar nicht recht belastet werden. Ich habe sicherlich wieder schaurige Blutwerte! Aber ich kann mich ja ausruhen, das wird wieder. Es dauert halt viel länger als vor dreißig Jahren. Ist halt so!

Tour bis zum KaLu-Haus auf garmin.com