Schon am Freitagnachmittag reisen wir zum Bodenbauer. Wir haben gerade noch ein Zimmer an diesem langen Wochenende ergattert. Der Samstag soll seit langem ein schöner sonniger Tag werden. Da nehmen wir auch etwas mehr Betrieb in Kauf. Wir schlafen sehr gut, auch wenn es recht hellhörig ist. Hellhörigkeit führt dazu, dass keine Ruhe ist, bis der letzte im Bett ist und keine Tür mehr zukracht. Und die Bettruhe endet, wenn die erste munter ist und erstmals die Tür zukracht. Oder ganz schlau, vor dem Haus bzw. vor der Hütte ganz leise flüstert. Die Absicht ist edel, die Wirkung gegenteilig. Egal, wir sind gut ausgeschlafen und nach einem feinen Frühstück zum Aufbruch bereit.
Wir sind wahrlich nicht die einzigen, die an diesem Samstag Richtung Hochschwab starten. Eine Gruppe mit geschätzt 15 Steirern startet zeitgleich. Ihr Leithammel ist mir schon an der Kaffeemaschine aufgefallen, nun befehligt er seine Begleiterinnen und Begleiter unabhängig davon, ob sie ihn dazu gewählt haben oder nicht. Im Laufschritt ziehen sie davon, um auf der Trawiesalm wieder eingeholt zu werden. Große Gruppen sind langsamer. An dieser Erkenntnis kommt man nicht vorbei.
Der Anstieg verläuft ohne Zwischenfälle. Die Wege sind in gutem Zustand, etwaige Schäden vom Winter längst behoben. Spätestens beim Vogauerkreuz sehen wir, dass einige Vorsteiger im G’hackten das Schneefeld links im Geröll umgehen. Wir werden das prüfen, wenn wir näher sind. Und siehe da, als wir beim Schneefeld sind, steigen vor uns zwei rechts davon auf. Das Schneefeld liegt über den Leitern und gibt nur ganz wenig von diesen frei. Aber das Stahlseil ist heraußen, das werden wir also schaffen. So quetschen wir uns zwischen Schneefeld und Fels immer höher. Eine Schnauferei ist das heute. Renate ist wieder fit, wir schnaufen gleich viel.
Nach dem Ausstieg dann noch Bekanntschaft mit einem älteren Kärntner, der mit seinem langsamen Partner unterwegs ist. Dass wir überholen, muss ihn hart getroffen haben. So klebt er sich an die Fersen und lässt seinen Partner im Stich. Ich frage, ob er vor will, aber das verneint er. Er ist so knapp hinter mir, dass ich große Versuchung verspüre, einen fahren zu lassen. Vielleicht bin ich ein bisserl hysterisch, weil ich gewohnt bin, dass wir meist den ganzen Tag kaum jemand treffen. Aber der gute Mann wäre mir auch in der Wiener Innenstadt zu knapp. Dann setzt er zum Überholvorgang an, sprintet vor, nur um sich zwei-, dreihundert Meter weiter demonstrativ wie ein Auerhahn auf einen Fels zu setzen. Er packt eine Jause aus und ein Buch, in dem er umgehend tief versinkt! Nur mit einem Auge prüft er, ob wir ihn eh bestaunen, wie toll er ist. Was für Gene, so ein toller Kerl!
Am Gipfel herrscht Stimmung wie an einem Badetag am Gänsehäufel. Aus allen Himmelsrichtungen strömen Bergsteiger herauf. Wir fotografieren, setzen uns abseits und lassen die Drohne ein bisserl herumfliegen. Wann hat man schon mal fast Windstille am Hochschwab? Renate bekommt noch ein kleines Präsent zur Motivation, ehe es zum Schiestlhaus geht. Essen, nochmal Fliegen mit der Drohne und dann Abstieg. Renate stimmt zu, dass wir die etwas längere Variante über den Graf-Meran-Steig und den Trawiessattel gehen.
Auch hier sind jede Menge Leute unterwegs. Erst am Aufstieg zum Trawiessattel wird es ruhiger. Murmel sind recht geschäftig. Sie erfreuen sich wohl auch der angenehmen Bedingungen. Am Trawiessattel studieren wir den Domeniggweg durch die Südwand. Der kommt bei einem der nächsten Besuche hier dran. Noch sieht man Schnee in der Wand. Aber das sollte gehen. Ein junges Paar macht sich um diese Uhrzeit mit langem Seil auf den Weg in die Wand. Offenkundig haben die Schwierigeres vor. Wow!
Um siebzehn Uhr sind wir wieder kurz vor dem Bodenbauer. Wir sind schon froh, dass wir es bald geschafft haben. Da höre ich eine vertraute Stimme hinter mir. Der morgendliche Leithammel ist auch zurück. Seine Truppe scheint mir ein bisserl dezimiert zu sein. Das scheint ihn nicht zu stören. Er muss jedenfalls auf den letzten Metern noch vor, weil er sonst keinen Tisch bekommt. Beim Bodenbauer erkennt er mich wieder und fragt nach den Bedingungen. Die Antwort interessiert ihn nicht sonderlich. Viel wichtiger ist, dass ich erfahre, dass sie übers Rauchtal runter sind und es echt geil war.
Wie auch immer, so schließt sich der Kreis. Wie waren acht Stunden auf den Beinen bei besten Bedingungen und sind jetzt mal ordentlich müde. Sehr fein und überaus erfreulich, dass Renate wieder fit ist. Neue Herausforderungen dürfen kommen!
Offensichtlich habe ich die Tour am Schiestlhaus irrtümlich gestoppt und gespeichert, so gibt es zwei Garmin-Tracks heute: Aufstieg und Abstieg.

















