Klettern: Bürklesteig III+

Gernot hat den Bürklesteig herausgesucht. Aus einem Buch – Sachen gibt’s! Am Vorabend schauen wir uns die geplante Tour an. Der Grat hat viele Türme, ist aber nicht sehr steil. Auf den Bildern sieht es so aus, als könnte man jeden Turm umgehen. Den Einstieg mit der IIIer-Stelle kann man auch umgehen. In einem der Kamine soll es sehr eng sein. Dort kann man der Enge mit III- „über die Blöcke“ in III+ ausweichen. Das schauen wir uns an, wenn wir dort sind. Ich mache mir keine Sorgen. Kurz mache ich mir Gedanken, dass ich mir diesmal gar keine Sorgen mache, obwohl ich die Tour gar nicht kenne. Mann oh!

Wir starten in Losenheim und stoppen beim Anstieg in einem Moment, in dem ich in nur einem Schuhe im Wald herumstehe, zwei Forstarbeiter. Also, Gernot stoppt eigentlich nur im Scherz, aber schon stehen wir hinten auf einer Querstange eines Traktors und pressen mit unseren Fingern die letzten Tropfen aus dem Blechdach. So tuckern wir 150 bis 200 Höhenmeter Richtung Breite Ries. Na hoffentlich, gilt der heutige Ausflug dann überhaupt als Besteigung.

Weiter geht es über den nördlichen Grafensteig zur Kreuzung mit dem Bürklegrat. Gernot, der als einziger im Team die roten Markierungen in einer Entfernung von mehr als einem Meter erkennen kann, steigt vor, folgt aber dabei der GPS-Linie, die er aus dem Internet geladen hat. So kann man auch die Gegend kennenlernen. Der Zustieg zum Bürklesteig, also zur Kletterei, ist eher mäßig markiert. Wir plaudern, soweit der steile Wald das zulässt, und verpassen wohl den Einstieg und die Umgehung des ersten Turms. Dabei sind wir aber auf einem Steig mit roten Markierungen geblieben. All dessen sind wir uns zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst. Erst als wir wieder rote Punkte und Striche finden, sind wir wieder auf dem GPS-Track und am Grat. Aber wo sind wir? Sind wir schon in der Tour?

Seil brauchen wir da keines. Das ist fix. Wir wähnen uns noch immer eher unterhalb des Einstiegs oder doch nicht? Gernot klettert weiter vor. Ich staune, hätte er vor ein paar Monaten bei solchen Stellen noch das Seil verlangt. Als wir dann an einem engen Kamin angelangt sind und Gernot weiter vorsteigen will, bestehe ich mit mehr Nachdruck aufs Seil. Wenn wir es schon mithaben! Hier kann man noch gut anseilen. Gernot lässt sich überzeugen und steigt weiter vor. Doch schon nach 15 Metern ist Schluss. Er baut da mal einen Stand, höre ich von oben. Ich soll nachkommen und mir das anschauen. Gernot steht in einer komfortablen „Höhle“. Und hier geht es wirklich mal (fast) senkrecht nach oben. Es ist eng, man könnte da hinaufspreizen. Auch ein super enger Durchschlupf ist zu sehen. Uns dämmert, dass wir längst in der Tour sind.

Durch das enge Loch passe ich vielleicht, aber mit 54 Jahren im Allgemeinen und meiner malträtierten Hüfte im Speziellen bliebe ich da drinnen wie ein steifer Stock stecken. Also, außen rum! Zum Glück sind da Steigeisenspuren am Fels. Leute gibt’s!

Wer nicht spreizen kann, muss sich anders verkeilen. Also stemme ich mich wenig elegant nach oben. Erste Stufe geschafft, aber hoppala, ein IIer war das nicht. Egal, für die Topo habe ich jetzt keinen Kopf. Ich drehe mich, muss über den nächsten einklemmten Felsblock. Aber wo anhalten, wohin steigen? So einfach ist das wirklich nicht. Und trotzdem geht es. Nochmals rumdrehen in diesem engen, luftigen Gelände. Bei so einer Verrenkung gibt’s mir einen Stich im Genick. Oida! Jetzt gibt es kein Zurück mehr, die nächste Stufe muss geschafft werden. Ich hoffe sehr, dass der Turm damit erledigt ist. Wie ein Salamander schiebe ich mich über das letzte Hindernis. Stilnote im negativen Bereich, aber oben! Uff, ich baue einen Stand und muss in Vorfreude schon lachen. Was war denn das da jetzt? Der Gernot wird fluchen, aber er muss da rauf. Das ist fix!

„Kannst kommen!“, „Komme!“. Geschätzt sieben Meter sehr, sehr steil unter mir setzt sich Gernot in Bewegung. Noch ein „Hast mich eh?“ und er hat die erste Stufe. Spaßverderber, das ging aber flott. Dafür bekommt er an derselben Stelle denselben Stich. Das hat was! Unterhaltsam ist das. Mit nicht viel besseren Haltungsnoten ist Gernot bei mir heroben. Wir lachen, schütteln den Kopf.

Auf der Topo sind wir nun sicher, dass wir in dem Kamin sind, in dem man zwischen dem „III- eng“ und dem „III+ außen“ wählen konnte. Wir haben vermutlich die Variante außen gewählt. Dass man auch „innen“ durchkommt, können wir uns nicht vorstellen.

Den untersten Teil der Tour haben wir leider gänzlich verpasst. Für Erstbegeher, die diesen Eintrag lesen, sei gesagt, dass die roten Punkte den Einstieg unseres Erachtens in Aufstiegsrichtung rechts umgehen. Die von uns verwendete Topo zeigt die Umgehung links. Wir werden nochmals hierher zurückkehren und das erforschen.

Die restliche Route ist feine Kletterei. Eine Stelle ist noch in der Topo mit III- angeführt. Nun ja, Gernot ist in Fahrt und führt auch diese Stelle. Kurz gesagt, alles fein, alles machbar. In weiterer Folge geht es dann den Grat entlang zur Fischerhütte. Den Abstieg wählen wir nach ausreichendem Essen über den Fadensteig.

Fazit: Der Bürklesteig ist ein toller Anstieg auf den Schneeberg. Beim Zustieg muss man sich konzentrieren. Wir wollten die Tour von ganz unten machen bzw. zumindest am Einstieg entscheiden, ob wir umgehen oder nicht. Irgendwie haben wir aber eine Abzweigung verpasst und sind erst nach den ersten Herausforderungen in die Tour eingestiegen, was ein bisserl schade ist. Umso mehr Spaß hat uns die „Schlüsselstelle“ gemacht. Wir waren uns nicht bewusst, dass wir an der Schlüsselstelle sind. Ich habe mir nur kurz gedacht, dass das sicher kein IIer ist und mich konzentriert, dass ich da hinaufkomme. Auch bin ich davon ausgegangen, dass mit „außen“ gemeint war, dass man nicht in der Felsspalte (oder Kamin) klettert, sondern außen am Fels. Wenn wir das nächste Mal wissen, dass wir an der Schlüsselstelle sind, werden wir die Aufgabe technisch besser meistern. Da bin ich sicher. In Summe gibt es mehr Kletterei, als ich erwarte habe. Alles in allem sehr lohnend! Die Tour kombiniert eine anständige Wanderung mit einer längeren Kraxelei. Entsprechend ausreichend Zeit ist einzuplanen, vor allem bei frühem Sonnenuntergang.

Die Tour auf garmin.com