Klettersteig: ÖTK und Blutspur

Ist denn das zu glauben! Diesmal schaffen wir den ÖTK-Steig und weil wir so in Fahrt sind, nehmen wir nach dem Mittagessen auch gleich die Blutspur mit. Die Pläne waren andere, aber der Reihe nach!

Am Vorabend diskutieren wir noch. Die erste Option ist die Veitsch. Wir waren den ganzen Winter nicht auf der Veitsch! Aber irgendwie ist der Wetterbericht wenig prickelnd und wenig stabil. Die WebCam von der Brunnalm gibt uns den Rest. Da liegt wirklich nur noch ein Rest an Schnee und wir bezweifeln, dass sich die Reise lohnt, zumal das Wetter gar nicht mitspielen könnte.

Nächster Vorschlag: Haidsteig. Die meterhohen Wechten vor Gernots Auge lässt er sich noch ausreden. Die Besteigung der Preiner Wand erscheint uns mehr als sicher. Aber oben? Ja, oben könnte zu viel Schnee sein, um ohne Skier entspannt dahinzuwandern. Entweder wäre es hart (unwahrscheinlich) und wir stochern mit den Steigeisen herum (zu Grödeln konnte ich mich noch immer nicht durchringen) oder es ist weich und wir brechen auf den Latschen bis über die Knie ein. Diese Option wird auch verworfen.

Aber die Diskussion hat auch ihre gute Seiten, denn Gernot erscheint der ÖTK-Steig nun gar nicht mehr so schlimm. Das Wetter ist ohne Bedeutung, solange es trocken bleibt. Schnee ist keiner weit und breit. Und wenn das Wetter nicht will, sind wir im Nu beim Auto. Die Entscheidung wird nochmals abgesichert durch den Beschluss, dass wir das 20m-Seil mitnehmen. Und zuletzt ein Komfort-Argument: Es gibt keinen Grund, sich schon um sechs Uhr am Bipa-Parkplatz zu treffen!

Also, gemütliche Abfahrt um halb neun. Die Anfahrt ist kurz und das Wetter viel besser als angekündigt. Die Sonne lacht und wir sind nicht ganz alleine am Parkplatz „Sonnenuhr“. Der Zustieg ist kurz und so stehen wir da und bestaunen die Einstiegsstelle.

Gernot will es ohne Seil probieren. Okay, mal durchgedacht. Wenn es klappt, ist es fein. Wenn es nicht klappt, will ich nicht in der Wand das Seil auspacken, mich einbinden, das Seil zuwerfen und mich wieder zusammenpacken. Na gut, Gernot schlägt vor, dass er einfach vorsteigt und einen Versuch startet. Tadelloser Plan, wenn es klappt. Wenn nicht, kann ich zwar gemütlich das Seil herrichten, nur ist Gernot dann schon oberhalb von mir und dass ihm das Abklettern Spaß macht, wenn er nicht mehr weiter kann, bezweifle ich stark.

Also, Anseilen und kein Zug meinerseits – versprochen. Ehe wir einsteigen, ist der erste Begeher da. Er erzählt noch, dass er heuer schon zweimal den Steig gegangen ist. Toller Hecht, und weg ist er. Jetzt sind wir dran.

Was sage ich? Als der ÖTK-Steig noch der HTL-Steig war und Ulli an der Stelle, die bei den Wienern als „Überhang beim Einstieg“ in den Erzählungen herumgeistert, einen halben Meter in die Sicherung gefallen ist, da war der Steig noch ein echter D. Mittlerweile ist er auf bergwelten.com gar als D/E geführt. Na ja, bei Regen vielleicht und damit Ende des „The older I get the better I was“-Modus und zurück an den Einstieg.

Ich kraxle vor und bau‘ den Stand. Am Klettersteig ist das trottelsicher, weil ausreichend Stahl in der Wand steckt. Ehe nun Gernot einsteigt, ist schon der Nächste da. Hallo, es ist Dienstag! Wie geht es da am Wochenende zu? Zeitausgleich ist die Erklärung. Meinetwegen, wir sagen nichts, aber der Mann muss warten. Gernot nimmt den „Vielleicht doch nicht ganz“-Überhang in Angriff und meistert ihn bravourös. Wir lassen den Zeitausgleichler ziehen und erfahren noch, dass er heute schon den höchsten Berg des Burgenlandes erledigt hat – mit dem Auto?

Nach der Schlüsselstelle geht es weiter zünftig bergauf. Gernot akzeptiert das Seil weiterhin gerne. Der Einstieg hat Kraft konsumiert und so richtig entspannend ist es hier noch immer nicht.

Am Wochenende muss da etwas los sein! Der Steig ist an einer Stelle „zweispurig“. Also, die Beschreibung nennt eine Überholstelle. Sachen gibt’s! Da kann man also links den Steig gehen oder rechts Steigbügeln folgen, die in die senkrechte Wand geschlagen wurden. Muss lustig sein, wenn am Wochenende die ersten „Leistungssportler“ die Nerven verlieren, weil beide Spuren von „Brummis“ belegt sind.

Das Wetter ist auf die Sonnenseite gekippt und wir haben einen tollen Frühlingstag an der Hohen Wand. Irgendwann ist der erste Teil erledigt und auch der zweite Teil ist mehr als machbar. Zum dritten Teil gibt es hier auf meinem Blog schon ausreichend Beschreibung.

Und dann stehen wir oben und Gernot hat seine Erstbegehung. Freude kommt auf! Die Sonne lacht, wir lachen. Ab in den Gasthof Post. Dickes Schnitzerl, ausreichend Getränke, Mohntorte und Kaffee. Wir lassen uns Zeit. Die Prognose sagt, dass das die letzten Sonnenstunden für die kommenden Tage sind.

Beim Abstieg schauen wir noch beim Einstieg zur Blutspur vorbei. Die bin ich schon einmal vor geschätzt 15 Jahren gegangen. Der Steig ist kurz, vielleicht 30 Höhenmeter, und mit E klassifiziert. Vor 15 Jahren wollte ich da schnell rauf, während Ulli wartet. Ich bin auch schnell los, aber die Sicherungen waren echt lausig – endloser Abstand zwischen den Fixierungsstiften und dünnes Seil bzw. eher Kabel. Bei diesem Steig kommt wirklich eine Felsnase, die dich kurz über die Senkrechte nach außen abdrängt. Damals habe ich mir gedacht: „Wenn ich die Sicherung nicht gleich irgendwo oberhalb von mir einhängen kann und die Kraft nachlässt, klatsche ich wieder ungebremst am Einstieg auf.“. Da hat sich Angst breitgemacht und so etwas merkt man sich.

Entsprechend aufgewühlt bin ich heute, als wir kurz entscheiden, den Steig zu probieren. Andere Bergsteiger, die wir am ÖTK-Steig getroffen haben, haben versichert, dass der Steig machbar ist für all jene, die den ÖTK-Steig geschafft haben. Die Sicherungen sind unvergleichbar besser als der alte Mist. Und das stimmt. Der alte Ringhaken erinnert noch, wo die alten Sicherungen begonnen haben. Da musst man schon ein bisserl frei klettern damals. Das war wahrscheinlich auch, um unterqualifizierte Aspiranten vom E-Steig fernzuhalten.

Heute beginnt das Seil geschätzt vier Meter weiter unten. Man kann sich von Beginn an einhängen. Das alte Kabel ist einem üblichen Stahlseil gewichen. An der Felsnase haben die Fixierungsstifte fürs Seil einen Abstand von maximal eineinhalb Metern. Da fällt man nicht weit und zusätzlich sind noch Trittstifte in der Wand. Aber ich bin nervös und die Sicherung verhängt sich an so einem Fixierungsstift. Keine Krise, aber mühsam. Passiert ist mir so ein Verhängen jedenfalls schon lange nicht. Gernot, unbedarft von traumatischen Erinnerungen, klettert durch und meint, dass ihm der Steig nicht schwerer fällt als der Einstieg des ÖTK-Steigs. Aha!

Noch einmal stehen ein paar Meter an. Ich steige vor, schon deutlich weniger angespannt und der Sicherungskarabiner hängt schon wieder in einem Sicherungsanker, Fixierungsstift oder wieder das Zeugs heißt. Diesmal aber so, dass ich den Karabiner nicht losbekommen will. Ja, gibt es denn das? Während ich zerre und biege überlege ich die Optionen: Abschneiden des einen Sicherungsstranges, Bergrettung rufen und für Amüsement sorgen,.. Irgendwann geht der Karabiner dann so leicht los, wie er sich verfangen hat. Peinlich, aber eben möglich. Gernot hat keine Not, und nun ist der Triumph komplett. Was für ein Tag!