Lydia und Nico sind da und wollen den Haidsteig gehen. Es ist Wochenende und am Nachmittag ist Regen möglich. Zwei gute Gründe, nicht allzu spät zu starten. Um neun Uhr sind wir am Parkplatz in Griesleiten und der ist voll. Also, man findet noch diese „Da kann man schon auch stehen, oder?“-Parkplätze. Doch diese werden auch bald weg sein.
Der Zustieg ist gemütlich, und wir treffen erstaunlich wenige Menschen. Da kommen wohl nicht alle her, um zu kraxeln. Wie Lydia am Klettersteig unterwegs ist, weiß ich ja schon. Aber, wie es Nico geht, habe ich mich nicht getraut zu fragen. Das war ein Dilemma, denn einerseits gehört es zu einer ordentlichen Vorbereitung, anderseits: darf man das einen Schweizer fragen? Sind die nicht in Felswänden oder Steilabfahrten geboren? Wir besprechen das also am Zustieg. Nico muss eine Variante im Schweizer Genom haben. Die Höhe im Allgemeinen und Leitern im Speziellen sind nicht so sein Ding. Okay, das bekommen wir hin!
Am Einstieg spielen sich Szenen ab, die an die Fotos vom Hillary Step am Mount Everest Mitte May erinnern. Die Leute sind leichter gekleidet und kaum einer, oder keiner, hat ein Sauerstoffgerät. Trotzdem staut es. Bunt ist es, schön anzuschauen ist es. Und dann höre ich seltsame Geräusch. Da mag sich doch einer, der wohl gerade den Kopf weit im Nacken hat, um die Wand zu studieren, durch einen Ausritt in eine Geröllrinne unerlaubt von der Truppe absondieren. Ich sitze da, schlüpfe gerade in meinen Klettergurt und staune nicht schlecht. Schon sehe ich nur noch einen Arm vom Abtrünnigen. Auch die anderen stehen herum. Niemand eilt zur Hilfe, vielleicht ist der Platz in der Schlange zu wichtig. Vielleicht soll sich jemand anderer darum kümmern. Sachen gibt’s!
Dann kommen auch wir dran. Als bunte Perlen in der Kette steigen wir los. Nico ist anfangs respektvoll, ehe das Selbstvertrauen einschießt. Der Weg ist leicht zu finden: „Immer dem Seil nach!“, und so steigt er vor. Na ja, wir sind wie schon erwähnt mittendrin. Vor uns geht nicht viel weiter und hinter uns klebt ein tschechischer Grünhelm so knapp an Lydias Fersen, dass ich kaum brauchbare Fotos zu schießen vermag. Also, Mio hält definitiv respektvolleren Abstand, auch wenn man Leckerlis in der Tasche hat.
Wir sind jedenfalls nicht Ursache für den Stau und werden auch nicht abgebremst. So genießen wir die Tour. Die Einsamkeit und das Gefühl des Auf-sich-gestellt-Seins erleben wir heute nicht.
Bei der Madonna sind die technischen Schwierigkeiten weitgehend erledigt. Lydia erinnert sich gar nur noch an ein Geröllfeld und ein bisserl Aufstieg, was da folgen wird. Oh, da spielt ihr die Erinnerung aber ein bisserl einen Streich. Jetzt gibt es erst einmal Besuch bei Ulli. Die ist gut abgelenkt. Es sind so viel Leute heute hier. Da bleiben wir dann doch nicht lange.
Weiter geht’s über die Demutsleit’n. So nenne ich den der Madonna folgenden Abschnitt. Technisch leicht und unversichert treibt mir der Abschnitt jedes Mal den Puls in die Höhe. Irgendetwas treibt auch Nico in die Höhe. Bald sehen wir in nur noch weit über uns. Ja, der Stau hat sich gelöst. Nico wird sich in Jahren erinnern, dass der Steig okay war, er aber oben dann doch auf die zwei Österreicher warten musste. Das sei ihm vergönnt.
Wir erreichen das Plateau und wandern zum Kreuz weiter. Was für ein Tagerl! Die Optionen Königschusswandsteig und Holzknechtsteig werden abgelehnt. So steigen wir über den Göbl-Kühn-Steig zum Waxriegelhaus und nach einem Mittagessen zum Auto ab. Beim Abstieg dann Blitzen, Donnern und erste Regentropfen. Aber hallo! Bergfex meinte in der Früh noch Null Prozent Regenwahrscheinlichkeit. Meine verlässlichste Quelle, Meteoblue, hat die Gewitter für den Nachmittag mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhergesagt. Kurz vor dem Auto kommt Wind auf, daher Laufschritt! Beim Einstieg dann starker Regen, im Auto sitzend dann Platzregen. Wow, das nenne ich ein Timing. Der Parkplatz ist noch gut gefüllt und die Straße vom Parkplatz raus auch. Da werden wohl einige nass werden, aber wir hatten Glück und eine definitiv feine Tour!








