Bergsteigen: Ingering – Hochreichhart (2.416m) – Hirschkarlgrat – Geierhaupt (2.417m)

Mio übernachtet erstmals bei seinen drei kurzbeinigen Freunden. Wir üben damit schon mal für den Sommerurlaub. Da will ich die Chance nutzen und suche mir ein Ziel, das ein bisserl weiter weg ist. So fahre ich am Montag nach Graz, übernachte dort und mache mich am Dienstag zeitig auf den Weg in Sabines Heimat.

Von den Seckauer Tauern habe ich schon mal gehört. Der höchste Berg heißt Geierhaupt, der zweithöchste Hochreichhart. Eine Überschreitung empfiehlt das Internet. Diese soll ein Klassiker der Ostalpen sein. Der Hirschkarlgrat mit Kletterstellen bis zur Schwierigkeit II und „brutal ausgesetzt“ ist unter anderem zu bezwingen. Da schau her! Ich bin beeindruckt. An den Bildern der Schlüsselstelle vermag ich nichts Unüberwindbares zu erkennen. Auch Textpassagen, die darauf hinweisen, dass man während der Kletterei die Stöcke am Rucksack montieren soll, lassen eher kurzweilige Ablenkung vermuten. Bei Schnee werde ich umdrehen, ansonsten bin ich mal sehr zuversichtlich.

In Ingering parke ich am Parkplatz 4. Ja, es gibt auch den Ort Ingering II. Da scheint ein Mathematiker bei der Namensvergabe beteiligt gewesen sein. Soll sein! Ich breche auf und erklimme über einen stetig ansteigenden Grat, dem Schmähausrücken, den Hochreichhart (2.416m) in knapp zwei Stunden. Keine Menschenseele zu sehen. Doch während ich das Gipfelkreuz fotografiere, sehe ich da einen Bergsteiger hinter einem Stein sitzen. Arno grinst, weil es mich so schön reißt, als ich ihn entdecke. Arno ist in meinem Alter, kennt sich hier aus, aber den Hirschkarlgrat hat er noch nicht gemacht, wenngleich sich schon oft vorgenommen. Heuer soll es so weit sein. Ob ich ihn fragen soll, ob er mitkommen will? Was, wenn er in der Hälfte streikt? Ich kenne den Steig ja auch nicht. Ehrfürchtig berichtet er von Furchtlosen, die am Vortrag die Überschreitung von der anderen Seite aus durchgeführt haben. Er schaut mich an und sagt mit Zuversicht, dass ich am Abend wieder beim Auto sein werde. Na dann, los geht’s!

Nach einem kurzen Abstieg bin ich beim Einstieg des Hirschkarlgrats. Schon aus der Ferne sehe ich, dass Schwierigkeiten nur im Detail stecken können. So mache ich die ersten Schritte stets mit dem Gedanken, ob ich eh problemlos wieder runter kann, falls es plötzlich unpackbar wird. Wieder ein paar Meter aufgestiegen und Gedanken im Kopf, ob das Mio eines Tages auch schaffen könnte. Und schon bin ich oben! Also, wenn das die Schlüsselstelle war, dann war das nie im Leben ein Schwierigkeitsgrat 2. Ach ja, „brutal ausgesetzt“ war da auch nichts. Sehr seltsam!

Weiter geht es in leichter Kraxelei, immer schön am Grat bleibend. Das Blockwerk erinnert an Tirol, aber dort um ein paar hundert Höhenmeter weiter oben. Zwischendurch gönne ich mir eine Jause mit reichlich Lardo und Käse. Die Schlüsselstelle liegt hinter mir, Schnee ist keiner da,.. Was soll da schiefgehen?

Der Hirschkarlgrat bietet noch eine Stelle, bestenfalls 1+, und dann war es das auch schon mit der Kletterei. Machbar, durchaus machbar. Es geht nun bergab, eigentlich recht lange. Das muss ich dann wohl wieder alles hinauf, denn der Geierhaupt ist immerhin um ein, zwei Meter höher. Höllsattel, Weißsattel,… und dazwischen immer irgendein Kogel. Mir brennt die Sonne schon Löcher ins Hirn. Vielleicht hätte ich doch ein bisserl mehr zu trinken mitnehmen sollen.

Und dann geht es wieder steil bergauf. Upps, langsam gehe ich ein. Der Puls geht in die Höhe, obwohl ich nicht schneller werde. Ein eindeutiges Zeichen. Immer wieder steil rauf, ein bisserl runter und wieder rauf – Oida!

Am Grieskogel eskaliert mein Zustand. Liegt da nicht eine sonnenbadende Bergsteigerin? Die Unterzuckerung und Dehydrierung müssen mir hart zusetzen. Zumindest singt die Sirene noch nicht. Ich rufe ein „Hallo“ beim ersten Anblick zu und schaue weg. Als ich um den Fels herum bin, ist die junge Dame passend gekleidet. Ich bin so verdutzt, dass ich mich mal für mein Erscheinen entschuldige. Also, das ist mir auch noch nicht passiert. Wir plaudern ein bisserl, ehe es für mich weitergeht.

Irgendwann ist der Geierhaupt dann da. Das war schon ein ganzes Stück. Meines Erachtens liegt also die Herausforderung der Überschreitung nicht in klettertechnischen Schwierigkeiten sondern an der Länge mit den zahlreichen Ab- und Anstiegen. Diese sind allesamt nicht lange, aber in Summe habe ich sie als etwas mühsam in Erinnerung.

Vom Geierhaupt geht es erst sanft und über ein paar harmlose Schneefelder bergab. Bald wird es immer steiler, teils wirklich sehr steil. Die Wege sind neu bzw. schlecht ausgetreten. Ich schließe daraus, dass auch am Wochenende hier nicht allzu viel los sein kann. Weit unten komme ich dann endlich zu einem von der Schneeschmelze gut gefüllten Bach, wo ich erstmals Wasser nachfüllen kann.

Auch am Ingeringsee finde ich keine Möglichkeit, Essen oder Getränke zu kaufen. Leute liegen am See, aber Infrastruktur gibt es keine. Natur pur, der See ist kristallklar. Auch schön.

Noch gut zwei Kilometer auf der Schotterstraße zum Parkplatz und die lange Tour hat ein Ende. Schön war’s, lang war’s! Die Kletterei war kurz und eher ein bisserl kraxeln. Davor braucht jemand, der gelegentlich ein bisserl klettert, keine Sorge haben.

Die Seckauer Tauern sind damit „erledigt“. Der höchste und zweithöchste Gipfel bestiegen – macht sich gut im Lebenslauf! 😉

Die Tour auf Garmin