Soma Bay


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Jasmin lernt für die Matura, Carina will in die Welt hinaus. So buchen wir kurzfristig über TUI das Steigenberger Ras Soma in Ägypten etwas südlich von Hurghada. In vollem Vertrauen auf TUI buchen wir ein Paket inklusive Flug. Bei näherer Betrachtung ein paar Tage vor Abflug erkenne ich, dass wir mit Nesma Airlines fliegen werden. Kenne ich nicht. FlightAware kennt es ebenso wenig. Komisch! Beruhigend ist, dass Google nichts über einen Absturz zu berichten weiß. Verstörend sind der Durchschnittswert der Rezensionen mit unter drei Sternen und die häufige Einleitung mit „Nie wieder Nesma Airlines“ oder „Mit jeder anderen Fluglinie gerne“. Prompt verschiebt sich die angekündigte Abflugzeit nach hinten. Aber wir sind vorbereitet. Letztlich ist der Flug gut. Wir kommen irgendwann in Hurghada an, werden in einem Privattransfer chauffiert und bekommen gegen zwei Uhr morgens unsere Zimmer. Meer und Pool sieht man wie versprochen. Also, das Meer ist in weiter Ferne und durch eine Baustelle von uns getrennt. Der Poolblick ist ein Blick auf den privaten Pool des Zimmers im Erdgeschoss unter uns. Fein, da kann ich morgen den Nachbarn vom Balkon aus Tipps zum Entspannen im eigenen Pool geben. Auch hat sich ein leichter Geruch über das Zimmer gelegt, der definitiv nicht lecker ist. Renate will das Zimmer tauschen. Ich sehe das als chancenlose Übung an. Es sind Osterferien, und fürs Erste will ich schlafen. So auch Renate.

Aber gleich am nächsten Morgen hat Renate dann auch prompt zwei Zimmer im zweiten Stock mit echtem Meer- und Poolblick organisiert – Respekt! Das ruhige Zimmer nach hinten raus bleibt damit anderen Gästen. Für uns geht es ab jetzt bergauf, die Zimmer sind edel!

Die gesamte Anlage ist fein, hier kann man es aushalten. Wir buchen zwei Ausflüge und machen drei. Der erste Ausflug geht mit einem Boot ins Naturschutzgebiet „Mahmya“, was so viel wie Paradies heißt. Selten habe ich so ein gut organisiertes Paradies gesehen. Wir werden der Gruppe „Nemo“ auf einer mehrstöckigen Yacht mit einigen anderen deutschsprachigen Gäste zugeteilt. Es gibt viele Yachten mit vielen Fischgruppen.

Mohammed wird sich um uns kümmern. Er stellt uns den Tagesablauf vor. Ein bisserl viel Information für mich. Irgendwo gibt es eine Schnorchelausgabe und dann Essen, aber auch Freizeit und überhaupt.

Unser Ankern und Übersetzen ins Paradies erinnert mich ein bisserl an D-Day Szenen, als die Alliierten in der Normandie landeten. Okay, auf uns schießt keiner. Aber keine drei Schritte an Land und wir sind auf uns allein gestellt. Wie die anderen Invasoren ziehen wir zur Schnorchelausgabe. Das hat ja mal geklappt. Jetzt folgt vermutlich die Suche nach dem Plätzchen im Paradies. Mohammed, der Hirte der Nemos, ist verschollen.

Jede Menge Matratzen mit Sonnenschirmen liegen im Paradies bereit. Oberösterreicher, die wir von unserer Yacht kennen, und wir haben uns zur Österreicher-Fraktion zusammengetan. Auf uns selbst gestellt wollen wir uns platzieren. Weitgefehlt, der Chef-Nemo einer anderen Fischgruppe vertreibt mich lautstark. Hier sind die Barrakudas. Das fühlt sich auch so an. Ich komme mir vor wie ein Robbenbaby, dass seine Mama unter den tausenden Tieren verloren hat und nun von den anderen Robbenweibchen weggescheucht wird.

Aber jeder Fischartenchef hat einen Oberchef. Und der ist in dem wilden Treiben nicht nur am langärmeligen weißen Hemd leicht zu identifizieren. Ihm ist das Handy schon am Ohr angewachsen, sodass er es nicht mehr halten muss. Er fuchtelt, schreit ein bisserl und organisiert derart das einmalige Erlebnis im ägyptischen Naturschutzparadies auf nächsthöherer Ebene. Ja, wie den unser Fischhäuptling aussieht? Scherzfrage, für mich sehen die alle ja irgendwie gleich aus. Dass unser Offizier des Tages Mohammed heißt, hilft auch nicht. Wir sind verloren! Doch dann passiert ein Wunder: die anderen deutschsprachigen Nemos marschieren geführt von ihrem Mohammed, also unserem Mohammed, am Wasser vorbei. Er beweist sich mittlerweile als großer Redner, seine Schützlinge haben sich an seine Fersen geheftet. Wir wurden schon vermisst.

Die Einteilung in zwei Nemo-Reihen lasse ich geduldig über mich ergehen. Da schau her, wir bekommen die Plätze in der Front Row unseres Matratzenabschnitts. Vielleicht möchte uns Mohammed auch besser im Blick haben. Mit Schmunzeln beobachte ich noch, wie Deutsche neben unserer Zweierreihe Matratzen belegen wollen. Aber das Paradies toleriert keine Vermengung der Fischarten. Husch, husch – zurück in eure Reihe. Okay, ein bisserl Fauchen ist auch dabei.

Wir schnorcheln, was bis auf die Wassertemperatur eine feine Sache ist. Das Essen ist bestens organisiert. Es gibt unter anderem Fisch. Ich glaube, Clown-Fische kann man nicht essen. So fühle ich mich als Tagesmitglied der Nemo-Gruppe wohl. Anderen Fischgruppen mag es da nach dem Motto „Dorade isst Dorade!“ unangenehmer ergehen.

Der Tag ist insgesamt kurzweilig. Das Paradies ist bestens organisiert, es gibt nichts zu meckern. Bei der Abfahrt zur Rückkehr nach Hurghada verabschiedet uns noch eine Katze. Sie sieht unserer Cookie recht ähnlich. Bald wird es wieder ruhig im Paradies sein. Dann kann sie sich um die Fischreste kümmern. Wir schaukeln gemächlich in den Sonnenuntergang. Alles gut!


Zwei Tage später holt uns ein größerer Bus zu unserer zweiten Tour ab. Wir sind auf der VIP Elite Tauchtour eingebucht. Achmed nimmt uns im Bus als erste Gäste in Empfang. Er ist in meinem Alter, was in Ägypten schon ein bisserl ungewohnt ist. Mit Hilfe von Google habe ich auf Arabisch als Gruß „Einen Morgen voller Licht!“ einstudiert und erweiche damit auch Said, den Busfahrer. Er war früher LKW-Fahrer und ist bis nach Riad gefahren. Bald weiß ich alles. Kurz, ich kapere den Bus.

Mit jedem Zwischenstopp in einem der anderen Ressorts füllt sich der Bus weiter und Achmed drängt sich in den Vordergrund. Kaum sind wir komplett, präsentiert er seine eigentlich Bestimmung. Er hat definitiv das Zeug zum Einkaufsfahrtenverkäufer. Aber erst am Boot, einer edlen mehrstöckigen Yacht, legt er noch einmal einen Gang zu. Er spricht schneller Deutsch, als er es kann. Ich verstehe Bruchteile und habe unentwegt Sorge, dass ich dem Kauf von zwei Heizdecken, drei Nackenkissen und einer Herde Kamele zugestimmt habe. Jeder Mitarbeiter an Board wird vorgestellt. Da sind die Crew fürs Schiff, der Koch, der Kellner, die drei Schnorchel-Guides, zwei Fotografen usw. Wir haben laut Achmed Glück, denn normalerweise sind doppelt oder dreimal so viele Touristen an Board. Kaum fühle ich mich wie ein echter Multimillionär auf seiner Yacht, verweist mich Renate auf das Gluckern des vermutlich riesigen Dieselmotors. Uh, sind nicht Yachten die Klimasünder schlechthin? Meine CO2-Bilanz ist wieder einmal vernichtet. Uje, da gebe ich mich schnell wieder Achmeds HSE24-Dauerwerbesendungsredeschwall hin. Das malträtiert die Ohren, aber übertönt den Dieselmotor.

An drei unterschiedlichen Stellen des Riffs schnorcheln wir. Das Wasser ist noch immer kalt. Das Riff dafür umso schöner. An Board wird gekocht und gut gegessen. Der Fotograf glänzt mit einer Spiegelreflexkamera und weiß, wie man Touristen in Pose rückt. Für einen ägyptischen Monatslohn kann man die Fotos dann kaufen. Okay, in Kashoggi-Stimmung tut man das auch. Auch dieser Ausflug ist kurzweilig und eine Empfehlung. Wieder geht es im Sonnenuntergang nach Hurghada zurück. Said – was hat er eigentlich den ganzen Tag getan? – führt uns noch zur größten Moschee Hurghadas, die wir vom Bus aus bestaunen dürfen. Achmed hat mittlerweile eine rekordverdächtige Redegeschwindigkeit erreicht. Er ist aufrichtig freundlich, lädt uns zu sich ein, scherzt über seine Familie, wünscht einen schönen Abend und plötzlich ist er weg. Er ist mit dem Kuvert mit Bakschisch in einem engen Gässchen Hurghadas verschwunden. Said führt uns ins Hotel zurück. Das ist gut so, er redet sehr wenig.


Am letzten Tag leisten wir uns eine Cabaña am Strand in der ersten Reihe. Die Getränke und Snacks sind in der Miete miteinbegriffen. Das erscheint großzügiger als es ist. Immerhin haben wir all-inclusive gebucht. Wir schauen den anderen Touristen am Strand zu, raten ihre Nationalitäten, lesen, schauen aufs Handy, etc. Aber irgendwann muss Abwechslung her. Renate und ich wollen einen Strandspaziergang wagen. Garmin belohnt uns einen solchen gar mit einem Punkt. Wer wird da widerstehen?

Am Strand nach rechts oder nach links? Beide Optionen bieten kilometerlangen Strand. Ich ergänze, dass Soma Bay bald aus ist, wenn wir nach rechts gehen. Nach links kann man stundenlang spazieren. Irgendwann erreicht man das Kempinski und das Sheraton, wo ich vor Jahren schon war. Renate will nach rechts. Auch recht, lerne ich Neues kennen. Ich ziehe mir Hosen und Shirt an, die Sonnenbrille rundet den Auftritt ab. Renate ist sparsamer. Bikini und Sonnenbrille müssen reichen. Ich weise nochmals darauf hin, dass Soma Bay bald endet. Anderseits war Renate schon in mehr Ländern als ich und ist erwachsen genug. So spazieren wir los. An der Grenze unseres Ressorts sitzt ein Wachmann, der uns freundlich zuwinkt. Ab sofort befinden wir uns auf einem Gebiet, dass touristisch gewidmet ist, aber auf dem noch keine fertigen Hotels stehen. In ein paar hundert Metern erkennt man eine Mauer bis zum Meer vor. Hier endet das Touristengebiet und trennt die Welten.

Aber schon ein paar freche Ägypter nutzen den Sonntag und sind in das Gebiet hier „eingedrungen“. Es sind ausschließlich Männer, alle in langen Hosen und Shirts. Ich grüße freundlich, was sie ihre Verwunderung abwerfen lässt. Sie erwidern die Grüße freundlich. Die Blicke ruhen, während wir weiterspazieren, auf uns. Vermutlich mehr auf Renate als auf mir, aber sie ruhen. Die nächste Gruppe ist wieder rein männlich. Aber es sind Jugendliche, voller Übermut. Ich grüße, sie lachen. Da fasst der erste allen Mut zusammen und fragt mich mit übermütigem Blitzen in den Augen, ob er ein Foto mit mir machen kann. Gerne, wir schießen ein Selfie. Ob er eines mit uns beiden machen kann? Auch gerne! Ob er eines mit Renate haben kann? Renate sagt ja. Ehe er seinen Arm um sie legen kann, nehme ich sein Ohr zwischen meine Fingernägel und drehe ein bisserl daran. Nur zur Erinnerung und Rückhalt! Tja, und jetzt hat ein Teenager ein Foto, um das ihn die anderen sicherlich beneiden. Da macht es auch gar nichts, dass die blonde Frau in ihrem denkbar knappen Bikini dreimal so alt ist. Jeder will jetzt ein Foto mit Renate. Mit mir will übrigens keiner eines, komisch! Renate entgleitet die Situation, ihr werden die durch einander schreienden jungen Männer, die sie eingekreist haben verständlicherweise zu viel, zumal es hier mittlerweile auch deutlich mehr Ohrwascheln gibt, als ich Finger habe. So verteidigen wir uns Rücken an Rücken gegen den Übermut und das Betteln der jungen Teenager um ein Foto. Noch finde ich es lustig und ich kann versichern, dass es nicht daran liegt, dass eh keiner mit mir ein Foto will. Wir lehnen nun forscher ab, drehen um und zielen aufs sichere Ressort.

Damit haben wir erstaunlicherweise Erfolg. Wir haben so plötzlichen Erfolg, dass ich es selbst nicht glauben kann und mich umschaue. Siehe da, der freundliche Wachmann vom Ras Soma ist aus dem Schatten heraus und hat Kurs auf uns genommen. Er hat eine Hand hinter dem Rücken am Hosenbund. Aber ehe er amtshandeln kann, sind wir wieder alleine am Strand. Nicht nur die Teenager sind weg, sondern auch die erwachsenen Männer, an denen wir am Rückweg vorbeigekommen wären, sind wie vom Erdboden verschluckt. Ja, und wie sind die jetzt so schnell durch oder über die Mauer? Oder verstecken sie sich in einer Grube? Zumindest haben sie jetzt Fotos oder gar ein Video, dass sicherlich lokal viral gehen wird. Wir kommen am Wachmann vorbei. Er winkt, er lacht und schaut mal nach den Dingen in Richtung Mauer. Auf ein Foto mit ihm wird genauso wenig einer neugierig sein wie mit mir. Renate schiebt ihr knapp bedecktes Popscherl ins sichere Touristengehege. Uff, nochmal Glück gehabt. Wir marschieren jetzt lieber nach links. Da ist das späte Sonnenlicht eh schöner. Sachen gibt’s!

Am Montag holt uns dann wieder ein privater Chauffeur ab. Also, es sind zwei Autos, die sie schicken. Ja, das ist, weil wir zu viel Gepäck haben. Aha, vielleicht hat sich auch rumgesprochen, dass die Frau mit den blonden Locken, der neue ägyptische Internetstar, abreist. Man weiß es nicht!

Unser Ausflug nach Ägypten war somit ein voller Erfolg. Der Rückflug war pünktlich, obschon der Lack an der Maschine von Nesma Airlines ziemlich ab war. Egal, gelandet ist sie sicher und so haben wir es alle drei sicher und bestens erholt nach Hause geschafft!