Marseille


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Der erste Hochzeitstag naht, Renate hat Marseille vorgeschlagen. Warum denn nicht? Ich war auch noch nie dort. Das nehme ich zumindest an, bis der Taxler vom Flughafen zum Hotel erklärt, dass der Graf von Monte Christo hier irgendwo eingesperrt war. Na ja, dass es den Grafen gar nicht gibt, sondern, dass das eine erfundene Romanfigur ist, habe ich damals vor 42 Jahren wahrscheinlich genau so wenig gewusst, wie heute. Also, jetzt weiß ich es – Google sei Dank! Aber halt, wusste ich es nicht doch? Egal, so erinnere ich mich, dass ich auf meiner Interrail-Reise mit Oskar schon mal hier war. Wir hatten überlegt, zur Insel zu schwimmen und wollten damit als erste Menschen nach Alcatraz schwimmen. Da war wohl einiges durcheinander!

Zurück zur diesjährigen Reise. Die Anreise über München verläuft friktionsfrei, sieht man von diesen heimtückischen Rollbänder für die Fußgänger ab. Also, ich kann nur warnen! Verkehrt stehend und aufs Handy starrend wird einem das Ende des Rollbandes zum Verhängnis. Hah, in die Falle gelockt, nicht ich purzle da wie ein hilfloser Käfer am Boden. Renate hat’s erwischt. Die erste Passantin ist so schnell da, dass ich noch nicht einmal Kopf schütteln konnte. „Are you okay?“. Das ist wirklich die dümmste Frage, die man in so einer Situation stellen kann. Renate hat noch nicht ganz mitbekommen, was ihr da passiert ist, lacht aber schon. Fix ist, einen Ganzkörper-Selbstscan wird sie wohl noch nicht geschafft haben. Also, „I’m great, thanks!“ kann man da nur antworten. „Mach‘ ich gerne – so eine kleine Showeinlage mit angedeuteter Rückwärtsrolle!“.

Im Hotel C2 haben wir uns einquartiert. Von außen ist es ein – naja – Hotel, aber innen ist es wirklich gelungen. Wir haben ein Zimmer ganz oben und blicken auf die Notre Dame in der Ferne. Nein, nicht bis Paris! Auf die Notre Dame de la Garde, denn die steht in Marseille am höchsten Punkt der Stadt. Das nenne ich mal einen feinen Ausblick. Die Sonne lacht, der kalte nieselige Herbst ist daheimgeblieben. Ein Spaziergang zum alten Hafen und Meeresfrüchte mit einer Flasche Crémant in den Markthallen machen den ersten Tag schon zum Erfolg. Okay, der Crémant erinnert ein bisserl an einen g’spritzten Heckenklescher. Was soll´s? Bleibt mir mehr!

Der zweite Tag wird noch besser! Wir haben E-Bikes gebucht und radeln in die Calanques. Schick mit rosafarbenem Helm geht es los. Anmerkung: Ich habe mir die Haare frisch gemacht und wollte mir die Frisur nicht zerstören, weswegen es keine rosa Helmfotos von mir gibt. Komoot geht es dahin. Auf Komoot hat uns der Verleih sogar die Strecke zusammengestellt. Die Bedingungen sind ideal. Ein Rennradfahrer überholt uns und nimmt triumphierend einen Schluck aus seiner Flasche. Es geht bergauf, er muss Mühe haben, das Getränk zu schlucken. Egal, nach ein paar Kilometer wird es wirklich steil. Da schätze ich schon mal 20% Steigung. Und da sind wir wieder. Der Rennradfahrer pfeift aus dem letzten Loch. Was hätte ich für eine Wasserflasche jetzt gegeben! Ein Königreich für ein Pferd! Quatsch, das braucht kein E-Biker, eine Flasche brauchte man. Ich will ihm zuprosten, dem armen Tour de Francler, der normal dreimal so fit wie ich aber jetzt dreimal so langsam ist. Er ruft uns etwas auf französisch nach. Kann ich nicht – C’est la vie!

Auf der anderen Seite geht es ebenso steil bergab und wir gelangen an eine schöne Bucht umringt von steilen Felsen. Junge Kletterer erfreuen sich des warmen Fels in der Herbstsonne. Wir sind zum idealen Zeitpunkt des Jahres hier. Im Sommer ist es wahrscheinlich heiß und voll mit Menschenmassen. Aber nun passt alles!

Am Heimweg geht es noch mit dem E-Radl zur Passage des Croisettes. Der Akku des Radels ist noch deutlich frischer als ich, der ich schon den ganzen Tag auf dem Sattel herumwetze. Und wir haben ein Problem. Hier in Südfrankreich pfeift man auf unseren azyklischen Essensrhythmus. Das soll heißen, zwischen 14:30 und 18:00 gibt es da nichts. Also, kaum etwas. Wir finden die Boissonnerie Les Goudes in Les Goudes. Wegen des Pan Bagnat kommt man hierher. Wir sind so hungrig, diese Thunfisch-Sandwiches schmecken herrlich. Wir können weiter.

Wieder in Marseille geht es dann noch mit letzter Energie steil zur Notre Dame hinauf. So sind wir bei tiefstehender Sonne am höchsten Punkt und genießen den Ausblick über Marseille. Ab jetzt volle Fahrt bergab! Die Räder sind knapp vor Geschäftsschluss im Verleih – alles gut!

Der Samstag ist Renates Leidenschaft gewidmet. Wir sind bei Alexandre Mazzia, genauer im AM par Alexandre Mazzia. Drei Sterne bei Michelin gibt es selten. Es ist ein Genuss! Einzig, es sind so viele Gerichte! Von jedem hätte ich gerne einen Teller voll, aber es gibt nur einen Löffel, dafür wunderbar präsentiert. Viele Gerichte werden auf am Kopf stehenden Häferln serviert. Ich wundere mich, aber sag lieber nichts. Die vielen Kellner in ihren dunklen Anzügen hätten sicher eine Antwort. Den Kaffee bestelle ich zu früh. Ich dachte, der Film ist schon aus, aber da kamen noch weitere Leckereien. Nach dem Essen schafft Renate noch ein Foto mit dem Drei-Sterne-Star, einem ehemaligen Basketballstar aus der Republik Kongo. Da schau‘ her! Ich lege mich bald erschöpft auf historische Steine, um ein bisserl das Wamperl zu stretchen, aber nur so lange bis mich die Museumswärterin vertreibt und mich auf die bereitgestellten Bänke hinweist. Ich bin auch immer entsetzt, auf was für vertrottelte Ideen diese Touris bei uns kommen – fürchterlich! Noch ein Abendspaziergang und auch dieser Tag ist ein Erfolg.

Am letzten Tag schießen wir noch Fotos, und Gottfried bekommt seine Bouillabaisse. Der gute Mann am alten Hafen muss denken, dass wir nach mehreren harten Tag im vom wilden Mistral aufgepeitschten Mittelmeer mit unserem Fang zurück sind und nun etwas brauchen, das uns nicht nur aufwärmt sondern auch sättigt. In der warmen Sonne tuen wir uns mit diesem knappen Liter heißer Suppe, serviert im Topf, schwer. Beim Alexandre, dem Ex-Basketballer, hätte ich einen Löffel voll bekommen. Facettenreiches Marseille!

Am Abend dann Abflug nach Wien! Wir sind total positiv überrascht von Marseille und können einen Besuch nur empfehlen! Was für ein gelungener Städtetrip zu unserem einjährigen Jubiläum. La vie est belle – wie der Franzose sagt!


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