Wildes Gamseck

Neue Einlagen für Renates Füße sind da. Die müssen probiert werden. Am besten auf vertrautem Terrain und nicht in der Ferne. So starten wir in Hinternaßwald, wo es kalt ist. Also, es ist Herbst, und da starten zwei Wanderer in ihren kurzen Hosen. Der Wind macht Gänsehaut, aber mit dem Wald kommt der Anstieg, und die Kälte weicht. Nach zweieinhalb Stunden sind wir beim Einstieg. Renate wechselt die Schuhe. Aufs Seil will sie verzichten, das bleibt im Rucksack. Ich habe es zur Sicherheit mit.

Viel zu rasch sind wir durch. Die Kletterei, oder Kraxelei, ist so fein wie kurz. Da wir den Steig, oder ist es gar die Route, kennen, tun wir uns vielleicht extra leicht. Ich kenne die „Schlüsselstellen“. Wer Übung hat, meistert sie. Wer Anfänger ist oder sich unwohl fühlt, braucht Sicherung und Unterstützung. Klebehaken und Standplätze gibt es genug. Die Markierung findet man auch leicht, wenn man nicht wie ich eine Rotgrünsehschwäche hat.

So haben wir die Kraxelei rasch hinter uns, und Renate steigt wieder auf die anderen Schuhe um. Wir gehen ohne Pause zum Habsburghaus weiter. Hunger macht sich breit. Noch vor der Hütte fragt mich Renate, ob ich geschaut habe, ob sie geöffnet ist. Ja! Renate hat auch nachgeschaut. Meine Trinkreserve habe ich schon aufgebraucht. Zeit fürs Nachfüllen. Aber siehe da, Montag ist Ruhetag! Ein Schild mit dem launischen Aufdruck „Uns kannst du GERN-haben“ frustriert arg und macht mich zornig. Ehe ich einen Punkt auf Google vergebe, lese ich nochmal nach. Mist, da steht auf der Homepage der Hütte im Kleingedruckten, dass im September der Montag Ruhetag ist. Renate hat nichts überlesen, sie hat nur auf einer Webseite nachgelesen, die eben nicht so gut informiert ist. Da kann der Hüttenwirt nichts dafür.

So steigen wir mit einem Loch im Bauch und etwas dehydriert ab. Weil eh schon alles wurscht ist, wählen wir den Peter-Jokl-Steig. Am Wegweiser steht, dass man da eine halbe Stunde länger geht als über den Kaisersteig. Aber das will ich nicht einsehen, denn kürzer ist der Peter-Jokl allemal. Ein bisserl „zach“ ist er halt, aber das weiß ich bereits. Bei der Hälfte der Entfernung quert man eine Forststraße. Renate fragt hoffnungsvoll, ob wir jetzt unten sind. Nicht ganz, aber den steilen Teil haben wir hinter uns.

Und auch heute geht alles irgendwann zu Ende. Wir erreichen den Parkplatz und fahren zum Raxkönig in Naßwald. Die Raxwirtin, oder Raxkönigin, kommt aus Thailand. Nach Tullnerbach-Pressbaum ist nun Naßwald die nächste Station ihres Lebensweges. Wer hätte das gedacht? Die Suppe mit Shrimps und Zitronengras schmeckt definitiv asiatisch, die Forelle ist auf den Punkt perfekt zubereitet und Sesam-Bällchen in Kokosmilch wie Topfenstrudel runden all das ab. Ist das Fusion-Kitchen? Wir staunen, und es liegt nicht nur am Hunger, dass wir hoch zufrieden sind. Die Wirtin verabschiedet uns mit einem „Kummst guat ham!“.

Ach ja, die Füße haben auf der doch langen Tour gehalten! Wir sind bereit für noch Größeres.

Die Tour auf Garmin