Alles wandelt sich. So bin ich von 2016 bis 2019 viel am Mountainbike im Wienerwald unterwegs gewesen. Dann folgten drei Jahre mit Laufen. 2023 und 2024 waren überwiegend Pause. Hüfte und Knie waren beleidigt und wurden teils ausgetauscht. Anfang 2025 zog das Neobike von Tacx/Garmin bei uns ein. Mit Renate habe ich schon 2024 wieder ein paar MTB-Touren im Freien gewagt und an diesem Sonntag hat es sich ergeben, dass ich alleine und ohne Mio daheim war. Da könnte ich doch Vergangenes wiederholen.
Der Schöpfl von daheim aus sollte gehen. Ich werde es mir ein bisserl leichter machen, indem ich die Route überwiegend auf festem Untergrund plane. Nur der Anstieg auf den Schöpfl und die Abfahrt sind auf unbefestigtem Untergrund.
Mit jeder Menge neuem Wissen gegenüber von vor sechs Jahren starte ich also an diesem Sonntag mit seinen optimalen Bedingungen. Ich habe im Rucksack eine Banane und Süßigkeiten, in der Trinkflasche ist purer Apfel-Ribisel-Saft. Die aktuellen Erkenntnisse, das sind im übrigen die Fehler von morgen, sagen, dass ich mir Kohlenhydrate und auch Zucker während der Aktivität reinziehen darf und soll. Fein, ich bin vorbereitet. Der Leistungsdiagnostiker hat meine Trainingsbereiche definiert. Ich weiß also, bei welcher Anstrengung ich durchhalte. Auch Garmin hat ausgerechnet, wann und wo ich wie stark treten solle. Selbst während der Tour rechnet es unentwegt, wie lange ich die jeweilige Belastung noch durchhalten werde. Das ist eine Ausstattung und Vorbereitung, die selbst für einen Profi von vor ein paar Jahrzehnten nicht selbstverständlich war. Da fällt mir die Geschichte von der Tour de France 1950 ein oder Vaters Erkenntnis aus seinen jungen Jahren: möglichst wenig trinken, um möglichst wenig zu schwitzen. Warum wenig schwitzen? Weil da Mineralien verlorengehen. Die hat er damals übrigens nachgefüllt, indem er auf Touren Salztabletten gelutscht hat. In den 40ern und 50ern hat man wohl andere Sorgen.
Heute fühle ich mich jedenfalls fit und starte Richtung Breitenfurt West, wo mich die erste Steigung mit maximal 15% erwartet. Auch der Anstieg in Gruberau kann mir nichts anhaben. Die Fahrer auf ihren Rennrädern sind natürlich schneller als ich auf meinem Mountainbike. Fast am Tag genau vor zwölf Jahren habe ich es mir gekauft. Da gibt es definitiv schon Besseres. Aber ich habe viel in die Reparatur investiert. Ich bin zufrieden.
Klausenleopoldsdorf und Schöpflgitter – es geht voran. Dann verlasse ich den befestigten Untergrund und biege nach rechts in die Schöpflklause und den Salygraben ein. Der Radcomputer sagt mir voraus, was mich erwartet. In regelmäßigen Abständen holt sich der Radcomputer übers Handy die aktuellen Winddaten, sodass er auch diesen Faktor berücksichtigen kann. Mit solch einem elektronischen Coach geht es also da hinauf. Je dunkler das Rot in der Vorhersage, umso steiler wird es. Anfangs sind noch hellrote und orangefarbene Auflockerungen dabei, doch irgendwann ist der weitere Verlauf durchgängig in einem dunklen Bordeaux-Rot. In diesem dunklen Abschnitt geht mir gar einmal die Luft aus. Es ist durchgehend über 15% steil und teils rutschig. Wenn man sehr fit ist, geht das einigermaßen auch ohne Absteigen. Na ja, ich erhole mich kurz, wirklich kurz, und radle weiter. Die Anzeige verkündet einmal gar 20% Steigung. Da sind die Winddaten unerheblich.
Die Warte schaffe ich auch noch irgendwie, obschon die Oberschenkel knapp dran sind, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Einen Streik kann ich jetzt nicht gebrauchen. Wieder beim Schutzhaus stolpere ich in eine Siegerehrung. Fast jede und jeder hält einen Pokal in der Hand. Ich gehe leer aus. Vielleicht bestelle ich mir einen eigenen Pokal am Abend auf Amazon.
Ich soll ordentlich essen und trinken, sagt der Sportwissenschaftler. Kaspressknödelsuppe, Linsen mit Knödel, Schokokuchen, ein Liter Hollundersaft, Wasser und Kaffee sollen mich wieder munter machen. Fürs Erste werde ich mal müde. Soll so sein!
Nach einer Stunde dann der Abstieg. Ich kann mich erinnern, dass mich Wilderes erwartet. An meinem Rad kann ich den Sattel ohne abzusteigen tiefer stellen. Der Luxus ist neu. Doch viel hilft das nicht, ich bin noch nicht ganz auf Touren und fahre den Steig nach Forsthof runter. Der ist steil, mit Wurzeln versorgt und durch große lockere Steine erschwert. Das ginge alles noch irgendwie, wären da nur nicht so viele Wanderer an diesem Sonntag. Die meisten sind deutlich älter als ich. Das wären Schlagzeilen, wenn ich als „Junger“ so ein paar Schneekugeln abräume.
Ein paar Mal steige ich also ab. Einmal ruft mir gar einer zu: „Da hast dir aber nicht den besten Steig für die Abfahrt ausgesucht. Ist wohl besser, wenn du absteigst! Zahlt sich nicht aus.“. Ich steige ab und stimme ihm zu: „Ja, da hast Recht. Für den Scheiß bin ich wirklich zu alt!“.
Weiter geht’s durch Ansiedlungen, die mir alle nichts sagen, wie Pamet, Höfer und Edhof, Richtung Innermanzing. Immerhin gibt es Innerfurt mit und ohne h am Ende. Ich staune! Staunen lässt mich auch, dass es dauernd bergab geht. Ja, bin ich so viel raufgeradelt?
Nach Außerfurt dann die Westautobahn. Yeah, das sollte ich schaffen. Der Computer sagt, dass ich noch 15 Kilometer durchhalte. Ui, sind aber noch 26! Ziemlich guter Rückenwind treibt mich an. Hoffentlich hat das Garmin diesen nicht schon eingerechnet. Gerade sind erst die neuesten Winddaten reingekommen. So beschließe ich, die Tour ein bisserl zu straffen. Selbst die kleinen Umwege, um auf Radwegen zu fahren, lasse ich aus. Jetzt mache ich auf Straßenrennfahrer. Immerhin kann ich den letzten Anstieg, den Roppersberg, nicht auslassen. Da muss ich rauf.
Die Änderungen tragen Früchte. Am Wienerwaldsee sind es noch knapp zehn Kilometer und ich habe noch Energie für sieben. Am Wienerwaldsee findet heute der „Art Walk“ statt. Wirklich übel spielende Blasmusiker stehen da am Wegesrand und lenken die Besucher ab. Die ausgestellten Bilder an den Zäunen sind um nichts besser. Die Krönung dann die tanzenden Gauklerinnen. Mann oh, der Hindernislauf hier raubt Energie. Meine elektronische Klingel ertönt schrill, aber bis ich sie auf dem kleinen Touchscreen gefunden habe, habe ich schon ein paar Besucher umgekegelt.
Nach der Autobahnbrücke gilt endlich wieder freie Fahrt, und ich stehe überraschend bald am „Roppersbergpass“. Meine persönliche Tankanzeige sagt noch drei Kilometer, während noch gut vier Kilometer vor mir liegen. Also, Ohren ausklappen, Rückenwind nutzen und bergab Richtung Breitenfurt-Ost-Ende!
In der Liesingtalstraße bin ich kurz versucht zu erkunden, was passiert, wenn ich jetzt noch ein paar Kilometer weiterfahre. Aber die Waden und Oberschenkel haben ich sich zusammengetan. So brav haben sie duchgehalten. Da will ich es mir nicht verscherzen.
Tadelloser Tag und stolz, die Runde geschafft zu haben!


