Renate fehlt es mutmaßlich am Eisen, Mio sicher an den Hormonen der Schilddrüse. So parke ich mit meiner nicht hundertprozentig fitten Truppe beim Schwabenhof oberhalb des Schneebergdörfels. Ich hole mir höflich das Okay für mein Parken ein. Denn so richtig sieht das hier nicht nach einer offiziellen Parkmöglichkeit aus.
Der Wind hat letzten September den Wald vernichtet. Auf den Karten ist ein riesiges Sperrgebiet eingezeichnet. Der Grafensteig ist vollständig gesperrt. Das wird spannend, schauen ma a mal!
Der Aufstieg durch den Schneidergraben ist erwartungsgemäß zäh. Renate hängt am letzten Teil des Grabens gar schon an den Stöcken, ein wahrlich ungewohnter Anblick.
Wir biegen nach rechts in den Grafensteig, der wahrlich in abenteuerlichem Zustand ist. Wir haben nur ein kurzes Stück zu bewältigen. Doch von diesem ist nicht viel übrig. Man stolpert weglos dahin. Das ist in diesem Gelände kein Spaß. Dort, wo es steiler ist, ist es vermutlich gar gefährlich! Spuren zeigen, dass sich hier schon andere, seien es Wanderer oder Forstarbeiter, abgemüht haben. Markierungen zeigen, wo der Weg mal war. Genuss ist das keiner. Die erwartete Quelle verpassen wir, ich gehe aber zurück, um für Mio Wasser zu holen. Ein schmuckloses Rohr kommt aus dem Boden und ergießt das Quellwasser ins Chaos. Jede Menge Schlauchrollen belegen, dass hier gearbeitet wird. Oh, da liegt noch viel Arbeit herum.
Auch der schöne Ausblick, an dem der Novembergrat nach links oben abzweigt, ist arg hergenommen. Die Bäume liegen wie umgeknickte Streichhölzer da. Wir rasten und staunen.
Der Novembergrat ist nur anfangs vom Windbruch betroffen. Bald sind wir über Wald- und auch Baumgrenze. Der Steig ist nicht immer leicht zu finden. Bleibt man am Grat, kann aber nicht viel schiefgehen. Weiter oben werden meines Erachtens die Markierungen wieder reichlicher. Blass sind sie allemal.
Mio schafft alle Felsstufen und kleineren Kraxeleien mühelos. Lediglich einmal muss ich ein bisserl mithelfen. Wahrscheinlich hätte er diese Felsstufe aber auch umgehen können.
Der Zustand meiner beiden Begleiter hat sich leider nicht verbessert. Auch die Erkenntnis, dass Renates Route am Plateau den heutigen Höhepunkt erreicht und meine Route noch die Fischerhütte vorsieht, erhellt die Stimmung nicht. So entscheiden wir, dass Renate und Mio den Waxriegel besteigen werden, während ich zur Fischerhütte zische. Heute hat diese den ersten Tag in dieser Saison offen und außerdem sind die drei Ingress-Portale dort oben schon viel zu lange in blauer Hand.
Ich zische los, soweit man da von Zischen reden kann. Knapp vor der Hütte sehe ich Gernots Vater. Ich rufe: „Norbert!“. Da wundert sich jemand. Noch ein paar Meter näher und noch einmal: „Norbert!“. Wieder sehe ich erstauntes Kopfdrehen, aber dann erkennt er mich und lacht. Er hat sich die Zahnradbahn gegönnt und ist zur Fischerhütte aufgestiegen. Jetzt geht es wieder zum Bahnhof zurück. Tapfer! Ein Selfie schießen wir.
Auf der Hütte begrüßt mich Michl, der Wirt, mit einem: „Na servas, wie schaust ’nn du aus? Im Winter nix trainiert? Hehe!.“ Beim obligatorischen „Was willst ’nn trink’n?“ erinnert er sich, dass ich ja einer der beiden Langeweiler bin. Gernot, ebenso wie ich ein Verweigerer des Schnapsels, lässt er auch gleich grüßen.
So, jetzt noch zum Kaiserstein. Die Portale sind im Schnelldurchgang zurückerobert und weiter geht’s zum Damböckhaus, wo Renate schon wartet. Schon am Weg zum Gipfel ist ihr Mio abgehauen und hat sich mit Genuss in Gülle – ja, auch die hat irgendwie da heraufgefunden – gewälzt. Er stinkt in kaum auszuhaltendem Ausmaße. Die Hütte wurde renoviert und ist gerade in Fertigstellung. Schön ist es geworden, wirklich überraschend fein. Auch das Essen ist sehr gut. Renate meint gar, dass es der beste Topfenstrudel auf einer Hütte ever war. Wäre da nur nicht Mio, der bei jeder Bewegung einen Schwall loslässt, der einem den Atem raubt. Zum Glück schläft er. So ein Genießer!
Der Schneidergraben wäre die kürzeste Variante, um zum Auto zu gelangen. Aber Renate mag das Abfahren im Geröll nicht und für Mio wäre es vielleicht oder wahrscheinlich eine Qual an den Pfoten. Eigentlich überrascht er oft, wie er locker nimmt, was man ihm nicht zutraut. Wir ersparen uns jedenfalls den Schneidergraben und spazieren zur Elisabethkirche und von dort zur Haltestelle Baumgartner. Vor der Adolf-Kögler-Hütte geht es dann links runter ins Mieseltal. Am Talboden angekommen schneiden wir elegant, aber nicht nachzuahmen, Richtung Schwabenhof ab. Dabei macht Mio noch Bekanntschaft mit einem kräftigen Fuchs, der aber kein bisserl an einer näheren Bekanntschaft interessiert ist.
Tadellose, längere Tour!











